„Wir wollen nicht nur nach Fehlern gucken!“, das war einer der ersten Sätze von Richterin Ellen Vierhaus zur Einleitung des Seminars der IGV „Was Richter sehen wollen“.
Rund 50 Teilnehmer, freiwillige Helfer, Reiter und Richter hatten sich an diesem windigen und verregneten Sonntag in der geschützten Reithalle des Reitvereins Dorsten Gahlen getroffen, um gemeinsam zu lernen, sich auszutauschen und interaktiv zu sein.
In der 20x 60 Meter großen taghellen Reithalle des Vereins war eine Ovalbahn rekonstruiert, in welcher die sechs Reiter ihre Pferde der Rassen Isländer, Aegidienberger, Paso Ibero Americano, Töltender Traber und Paso Fino in unterschiedlichen Prüfungssituationen vorstellten. Das übersichtlich vorbereitete Handout begleitete die Teilnehmer durch den informativen theoretischen Teil, in welchem die Richterinnen Ellen Vierhaus, Marie Wendel und Claudia Metting ergänzt durch Stephan Vierhaus als bekanntem und beliebtem Sprecher transparent Richtschwerpunkte, Prüfungstipps und Hintergrundwissen zu den einzelnen Prüfungen erläuterten.
So lernten die Seminarteilnehmer, wie man möglichst schnell und präzise gute Gangqualität erkennt. Wichtig dabei ist natürlich das Hintergrundwissen: Wie soll ein Gang gut geritten aussehen. Welche Form, welches Tempo, welche Anforderung ist gewünscht. Einig waren sich alle Richter darin, dass immer das „besser geformte“ Pferd besser gewertet wird.
Neben der Erläuterung der Freizeit- und Sportprüfungen, gingen die Richterinnen explizit auf die Rassen Paso Fino und Aegidienberger und deren Prüfungs-Schwerpunkte ein. Den Zuschauern wurde verdeutlicht, dass es für jede Rasse und jeden Typ eine geeignete Prüfung gibt. Es wurde deutlich, dass die Anforderungen der Prüfungen sich durchaus unterscheiden, was die Vielfalt der Turnierteilnehmer fördern kann und soll.
Im theoretischen Teil des Seminars wurde ausführlich darauf eingegangen, in welcher Form sich die Prüfungen in ihren Richtschwerpunkten unterscheiden. Interessant war auch zu erfahren, aus welcher Ursprungsidee diverse Prüfungen, wie Pleasure Gang, Tölt Spezial und Co. entstanden sind und wie sie sich von den herkömmlichen Sport- und Freizeit-Gangprüfungen abheben.
Schön zu merken war für die Zuschauer, dass jeder Richter seine individuelle Vorliebe in das Richten einfließen lässt und trotzdem eine Grundeinigkeit darüber herrscht, was man keinesfalls sehen möchte und was als besonders gut und schön zu bewerten ist. Eben diese Mischung der Richter und ihrer Sichtweisen macht ja die Notengebung letztendlich so interessant. Der Turnierreiter darf sich die Frage stellen: „ Wie kommt mein Pferd bei unterschiedlichen Leuten an?!“
Im letzten Teil des Seminars durften die Teilnehmer selbst ihr (neu gelerntes) Wissen anwenden und in die Rolle des Richters schlüpfen. Dazu wurden 5 Reiter in die Bahn gebeten. Die Teilnehmer bekamen alle einen Richtzettel und durften anhand einer nachgestellten Mehrgang-Prüfung Noten für die verschiedenen Aufgabenteile vergeben. Dabei erlebten die interessierten Zuschauer live, wie schnell man Noten finden muss und dass man unmöglich alles sehen kann, was die Reiter in diversen Runden reiten. „Man muss im Grunde nach 10 Metern eine Note gefunden haben. Dabei ist es klar, dass man wissen muss, wie der Gang aussehen soll und es wird deutlich, dass nicht alle Fehler gesehen werden, die das Publikum von außen wahrnimmt.“, erklären die Richter ihre oft alltägliche Situation während des turbulenten Turniergeschehens.
Das wird auch den Teilnehmern schnell klar. Man muss ganz schön „auf Zack“ sein, um jedem Reiter seine möglichst passende Note zu geben. Diese sehr interaktive Erfahrung hat vielen Teilnehmern einmal mehr verdeutlicht, dass Richter auch nur Menschen sind.
Der ausführliche Einblick in die Notenfindung und das Richtsystem der IGV hat für große Transparenz gesorgt und einmal mehr den wohlwollenden Charakter einer jeden Notenfindung veranschaulicht.
Vielen Dank an die IGV mitsamt allen Helfer auf dem Pferd und am Boden für diesen kurzweiligen, lehrreichen und interaktiven Tag!
Marina Wroblowski