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Gebisse und deren Wirkung inklusive spezieller Betrachtungen für die unterschiedlichen Gangpferderassen

In diesem Blogbeitrag haben wir für Euch die Trainer A Hausarbeit der FN-Trainerin A Marina Wrobowski bereitgestellt.

Inhaltsverzeichnis

Ein Gebiss im Maul eines Pferdes gewährt dem Menschen durch Ausübung von Druck eine maßgebliche Form der Einwirkung zur Beherrschung des Pferdes. Ganz ohne Schmerzen für das Pferd wirkt nicht jede Zügelhilfe ein. Das Pferd wird sowohl körperlich als auch geistig mit dem Gebiss beeinflusst.

Schon die Urmenschen zähmten ihre Pferde mit Knochenstücken, die sie wie ein Gebiss durch das Pferdemaul führten und mit Leinen versahen. Später wurden die Knochenteile durch metallene Stangen ersetzt.

Da der Mensch mit dem Gebiss im Pferdemaul schnell großen Schmerz und Schaden anrichten kann, ist es klar einen gewissen Umgang mit diesem Hilfsmittel zu pflegen. Durch falsche oder grobe Einwirkung widersetzt man sich nicht nur den Tierschutzaspekten, sondern schürt auch Unmut und Unwilligkeit beim Pferd, dessen Motivation zu arbeiten durch ein zuviel an kraftvollem Zügeleinsatz leidet.

Um den Zügel und damit das Gebiss sinnvoll im Pferdetraining einzusetzen, bedarf es einer einfühlsamen Hand, das heißt einer Hand die nicht untätig ist, sondern im Rahmen des Nötigen agiert, dabei die Gesundheit des Pferdes berücksichtigt aber auch das Maß findet, bei welchem das Tier das tut, was von ihm gefordert wird. Eine gute Reiterhand ist deswegen eine Hand, die der Bewegung des Pferdekopfes folgt und dabei gezielt auf das Pferdemaul einwirkt.

Die Hand soll freundlich sein, zum Nachgeben bereit.

Das Gebiss soll in der Reiterei in erster Linie Zugang zur Muskulatur des Pferdes verschaffen. Durch die Berührung der Zunge und der Maulspalte werden Reflexe in Gang gesetzt, welche Auswirkungen auf gesamte Muskelketten haben. Gebisslose Zäumungen hingegen ermöglichen lediglich eine physische Einstellung des Kopf-Hals-Bereiches. 

Mit einem Gebiss hingegen kann ich einfacher auf den Kaureflex des Pferdes einwirken und so ganze Muskelketten aktivieren und mobilisieren. Dabei ist das Kiefergelenk der Schlüssel zur Gesamtmuskulatur. Sechzig Prozent der Muskulatur des Pferdes sind direkt oder indirekt mit dem Kiefergelenk verbunden und werden durch es beeinflusst. Ein losgelassenes, natürlich funktionierendes, frei bewegliches Kiefergelenk ermöglicht dem Pferd motorisch korrekt zu laufen.

Geschichte der Gebisse im Pferdemaul

In der Geschichte der Reiterei weiß man erst seit circa 250 Jahren über die Wirkung des Gebisses im Pferdemaul und deren gewaltfreien Sinn zur Erlangung der Losgelassenheit.

Nachdem der Mensch das Pferd gezähmt hatte und es als Reittier diente, erfanden die Menschen ziemlich schnell Gebisse zur Gefügigmachung des Tieres. Die ältesten Gebissfunde sind circa 5000 Jahre alte Knebeltrensen genannt. Aus Holz, Knochen oder Geweihteilen schnitzten die Menschen früher Gebisse. Der älteste Fund eines aus Knochen gefertigten Gebisses stammt aus der Schweiz um die 3000 Jahre v.Ch.. Kandarengebisse mit Hebelwirkung sind um einiges jünger, der älteste Fund ist aus der Zeit um 500 v.Chr..

Der Reitmeister Xenophon beschreibt in seiner „Reitkunst“ zwei Arten von Gebissen: ein glattes weiches und ein hartes stacheliges. Er rät den Gebrauch des scharfen Gebisses, um dem Pferd den nötigen Respekt vor der Reiterhand beizubringen. Habe das Pferd dies verstanden könne man zum weichen Gebiss übergehen, worüber sich das Pferd dann freuen würde, ohne die Wirkung des scharfen Gebisses zu vergessen.

Zwei Arten der Zäumung bestimmen die Reiterei. Die Zäumung auf Trense und die Kandarenzäumung. Die Trense ist eine Erfindung aus dem Osten, während die Kandare von den Kelten im Westen erfunden wurde. Beide Zäumungsarten trafen in Mitteleuropa zusammen und wurden fortan als Kombination von Kandare mit Unterlegtrense verwendet.

Bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts war die gängige Ausbildungszäumung die Kandare mit Kappzaum. Mit dem Reitmeister De La Guérinière gewinnt das Benutzen der Trense an Bedeutung.

Wirkung von Gebissen am Pferdekopf 

Man muss sich immer bewusst sein, dass man mit dem Gebiss im Pferdemaul ein besonders starkes Werkzeug an einem sehr empfindlichen Körperteil des Pferdes einsetzt. Bei korrektem Gebrauch wirkt dieses Instrument im Idealfall nur einrahmend mit leichtem Druck auf Körper und Psyche des Tieres ein und schmerzt im ungünstigsten Fall nur maximal einen kurzen Zeitraum bei Widersetzlichkeit des Pferdes oder unruhiger Reiterhand. 

Zur Gefügigmachung wird das Gebiss allerdings schon seit Beginn der Geschichte der Reiterei benutzt und bedient sich notgedrungen damit auch der Tatsache, dem Pferd durch Schmerz in dieser empfindlichen Körperregion den Willen des Reiters aufzuerlegen. Ziel der Reiterei sollte es mit Hilfe korrekter und gewissenhafter Ausbildung sein, das Pferd an leichter Hand mit wenig Druck auf dem Gebiss reiten zu können. Gesteigerte Rittigkeit, Losgelassenheit und Gymnastizierung begünstigen diesen Fall. Bei Benutzung des Gebisses, besonders in gröberer Form, sei es aus Unwissen, wenig reiterlichem Können oder aus Absicht, sollte jeder Reiter wissen, wie sich der Zug am Zügel auf Teile des Pferdekopfes auswirkt.

Durch Bewegung des Gebisses im Pferdemaul und an der Maulspalte wird der Abkaureflex des Pferdes ausgelöst. Diese Zungenbewegung, welche beim Bewegen des Gebisses im Pferdemaul entsteht, setzt sich über das Zungenbein fort. Das Zungenbein dient als Gleichgewichtsorgan und ist direkt mit dem Genick und somit indirekt mit etwa sechzig Prozent der Gesamtmuskulatur des Pferdes verbunden. Eine kauende Bewegung des Pferdemaules aktiviert also das Zungenbein, welches dann über das lockere Genick in der Muskulatur Anreize setzt und Muskelgruppen aktiviert sowie den Bewegungsapparat des Pferdes in Gang setzen kann. Ein unpassendes oder dem Pferd nicht zusagendes Gebiss sowie ein zu eng verschnalltes Reithalfter kann das Pferd am Abkauen, also auch am Speichel schlucken, hindern und beeinträchtigt somit maßgebliche die lockernde Wirkung des Genicks durch den Abkaureflex.

Zudem verläuft Im Pferdekopf ein großer Nerv, der Trigeminusnerv, in drei Hauptästen zum Oberkiefer, Unterkiefer und dem Augennerv und versorgt an diesem Orten unter anderem die Kaumuskulatur, die Funktionen des Auges, Teile der Zunge, Zähne und den Gaumen. Reithalfter und Kinnketten oder -Riemen müssen korrekt und locker genug verschnallt werden, so dass sie diese Nerven nicht quetschen.

Die Länge der Maulspalte entscheidet nicht nur über die Stärke eines Gebisses sondern auch wie hoch dieses verschnallt werden kann, ohne die empfindlichen Maulwinkel, welche mit etlichen Nervenenden besetzt sind, zu sehr nach oben zu ziehen oder gar einzuquetschen.

Die Zunge ist bekanntermaßen ein sehr empfindsames Organ. Der Körper pumpt viel Blut in der Minute durch die Zunge. Zu viel Zug am Zügel oder ein unpassendes auf der Zunge drückendes Gebiss kann Blutstau verursachen, der die Zunge blau anlaufen lässt. Nicht selten lassen Pferd bei zu starkem dauerhaftem Druck auf der Zunge diese aus dem Maul heraus hängen, meistens ein untrügliches Zeichen für zu heftig Zügeleinwirkung oder Zahnprobleme.

Der Laden ist der zahnlose Bereich im Unterkiefer. In diesem Bereich liegt das Mundstück auf. Je nach Beschaffenheit des Ladens kann dieser mehr oder weniger Druck vertragen. Bei zu viel Zügeleinwirkung können Quetschungen am Laden entstehen. Hat das Gebiss scharfe Kanten, so findet man hier und/oder an der Zunge kleine Verletzungen, die eventuell sogar bluten und auf einem Turnier zum Ausschluss aus der Prüfung führen. 

In besonders harten Fällen kann ein Gebiss auch so stark einwirken, dass von den Unterkieferästen Knochenstücke abbrechen, die sich dann in der Mundschleimhaut entzünden und dem Pferd deutliche Schmerzen verursachen. Auch das ruckartige Ziehen am Zügel löst eine wahre Flut an Nervenreizen aus, die sich kopfschmerzähnlich über den Unterkiefer im gesamten Schädel des Pferdes ausbreiten. Nicht nur das Gebiss direkt wirkt im Pferdekopf, auch das Reithalfter kann die Nervenenden des Trigeminusnervs einquetschen oder die Luftzufuhr unterbinden, wenn es zu eng zugezogen wurde. Auch das Genickstück, welches, zu eng am Ohr verschnallt, etwa bedingt durch einen zu kurzen Stirnriemen, die Ohrspeicheldrüse empfindlich eindrücken kann und ebenfalls Schmerzen verursacht.

Herkömmliche Gebissarten

Es gibt im Grunde nur zwei Kategorien, in welche Gebisse, die zum Reiten geeignet sind, eingeteilt werden, wobei der Markt bei jeder Art noch etliche Formen, Varianten, Strukturen und Materialen bereitstellt. Um das Thema nicht vollkommen zu überladen lasse ich die Vielfalt der gebisslosen Zäumungen und deren Wirkungsweisen außen vor und beschäftige mich in dieser Arbeit ausschließlich mit den gängigen Gebissarten.

Grundsätzliche unterschieden wird in Gebisse mit und ohne Hebelwirkung. Untergruppen sind Stangengebisse, also ungebrochene, und gebrochene Gebisse. Zum geläufigsten und weit verbreitetstem Gebiss gehört die Wassertrense, ein einfach oder doppelt gebrochenes Gebiss, welches auch in der früheren Militärreiterei gern verwendet wurde, denn es ermöglicht dem Pferd die ungehinderte Wasseraufnahme, ohne, dass man das Gebiss aus dem Pferdemaul entfernen müsste.

Gebisse ohne Hebelwirkung

Betrachten wir die Wassertrensen, so erkennt man verschiedene Formen der Gebissringe, welche eben auch unterschiedliche Wirkungen erzielen. Im Folgenden erkläre ich die gängigsten Gebissformen und deren Wirkung:

  • einfach gebrochene Wassertrense: Das Mundstück besteht aus zwei Teilen, welche in der Mitte miteinander durch ein Gelenk verbunden sind, die Ringe der Trense sind rund, das Gebiss wirkt auf die Zunge und die Laden und erlaubt eine einseitig einwirkende Zügelhilfe, bei beidseitiger Zügelhilfe kann es sein, dass sich das Gebiss im Maul aufrichtet und ein unangenehmer Nussknackereffekt entsteht, welcher auf Zunge und Laden des Pferdes drückt. Dieser Druck wird vermindert durch den Einsatz eines
  • doppelt gebrochenen Gebisses: das Mundstück ist dreigeteilt, das Mittelstück ist wahlweise flach oder in der Form eines Olivenkerns und übt so unterschiedlich starken Druck auf die Zunge aus. Das Mittelstück darf nicht zu lang sein, da die Gelenkverbindungen sonst auf den Laden lögen und unangenehm drücken können. Das Gebiss kann sich in der Regel der individuellen Form des Pferdemaules etwas besser anpassen, hat aber dadurch auch eine unstabilere Lage im Maul. In seiner Lage etwas mehr fixiert wird das
  • Olivenkopfgebiss: Ein Gebiss dessen Ringe leicht oval geformt sind und das Verbindungsstück von Ring und Mundstück aus verdicktem Material besteht (ähnlich der Form einer Olive). Die verdicktem Verbindung ist besonders angenehm für die Maulspalte des Pferdes und wirkt dadurch etwas sanfter ein, legt das Gebiss im Maul in eine stabile, aber auch unbewegliche Position. Gleichzeitig wird die seitwärtsweisende Wirkung etwas verstärkt, ebenso wie bei dem
  • D-Ringgebiss: Dieses Gebiss hat D- förmliche Ringe. Auch hier ist die Lage in der Maulspalte angenehmer und die seitwärtsweisende Zügelführung wird verstärkt, dadurch, dass der gerade Teil des Ringes seitlich am Maul einwirkt. Zusätzlich wird das Durchziehen des Gebisses durch das Pferdemaul bei zu starker seitlicher Einwirkung durch die gerade Seite des Ringes verhindert. In noch deutlicherer Form, aber mit gleicher Intention wirkt das
  • Knebelgebiss: auch Schenkeltrense genannt, gerne genutzt, um jungen Pferden die Seitwärts weisende Zügelhilfe deutlich zu erklären und damit das Verständnis dafür zu erleichtern, Korrekt verschnallt wird die Knebeltrense mit einem Riemchen am Backenstück befestigt, dieser verhindert, dass sich die Schenkel unter dem Reithalfter verhaken können.
  • Ledergebiss: Ein Mundstück aus Leder, welches sich ideal der anatomischen Form des Pferdemaules anpasst, jedoch eine einseitige Hilfegebung erschwert, da es wie eine (weiche) Stange wirkt, sich also bei einseitiger Zügelführung im gesamten Maul „verzieht“
  • Gummigebiss: Mundstück aus Gummi, wahlweise mit Apfelgeschmack, mittlerweile etwas aus der Mode, weil man festgestellt hat, dass das Gummimaterial auf den Laden unangenehme Reibung hervorruft. Das Gummigebiss gibt es in einfach gebrochener Form als Ummantelung mit Metallkern, aber auch als Stangenform. Ebenfalls ähnlich einer Stange wirkt das
  • Doppelgebiss: Zwei Mundstücke an einem Seitenring befestigt. Die Teile der einfach gebrochenen Mundstücke sind nicht gleichlang sondern das eine ist nach links länger, das andere nach rechts, die Verbindungsgelenke sind also nicht zentral auf der Zunge sondern etwas rechts und links an der Zunge angeordnet. Somit liegt das Gebiss stabiler im Maul, kann sich aber trotzdem noch etwas bewegen und sich somit nicht in eine Richtung verkanten. Anders ist das beim
  • Stangengebiss: das Mundstück hat kein Gelenk sondern besteht aus einer starren Stange welche gerade bis leicht gebogen auf der Zunge und den Laden liegt. Das Gebiss ist schärfer, da es eine starre Form hat, kann sich aber auch nicht im Maul aufrichten und gegen den Gaumen drücken (kein Nussknackereffekt). Bei einseitiger Zügeleinwirkung kann sich das Gebiss verkanten und dem Pferd somit Schmerzen zuführen.

Mischformen aus Gebissen mit und ohne Hebelwirkung

Eine Mischform aus Trensengebiss und Kanarengebiss bietet das

  • Pelham: Es besteht aus einem einfach gebrochenen  Mundstück oder einer Stange mit Anzügen, die beweglich am Mundstück befestigt sind und nie länger als 7 Zentimeter sind. Das Pelham kann mit zwei oder vier Zügels geritten werden. Die vierzüglige Variante ist für fortgeschrittene Reiter geeignet. Sie ermöglicht individuelle Einwirkung auf Genick und/oder Maul des Pferdes. So kann man eine einfach Trensenwirkung erzielen und nur bei Bedarf die Wirkung auf das Genick durch den Anzug hinzunehmen. Mit dem Deltazügel werden die Ringe des Anzuges und des Mundstückes durch ein Riechen verbunden und der Zügel wirkt über diesen Riemen gleichzeitig auf die Trense, wie auch auf die Anzüge. Pelhams werden gern eingesetzt, um das Pferd auf Stangengebisse mit Hebelwirkung vorzubereiten. Ähnlich dem Pelham, nur  ohne Unterbaum ist das
  • Kimblewick, auch Springkandare genannt. Es besteht aus einem gebrochenen Mundstück und einem D-Ring, welcher aber in sich noch einen Ring als Aufhängung für die Backenstückes hat und ein bis zwei weitere am unteren Teil des Ringes, um dort die Zügel einzuschnallen. Durch die fixierte Position des Zügels entsteht in Kombination mit dem minimalen Anzug des geraden Teils des D-Ringes etwas Druck im Genick.

Gebisse mit Hebelwirkung

Immer mit Anzügen ausgestattet und in Stangenform ist die

  • Kandare: eine Stange als Mundstück und Anzüge in unterschiedlichen Längen und Formen wirken gleichzeitig auf das Genick, die Kinngrube und das Maul des Pferdes. Die Kandare wird immer mit Unterlegtrense geritten, da die Kandare allein eine seitwärtsweisende Zügelführung erheblich einschränkt. Kandaren werden immer nur mit gleichzeitigem Zügeldruck auf beiden Seiten geritten, da die Stange sich sonst immer Maul verkanten und Schmerzen verursachen könnte. Der Druck im Genick wird durch die Befestigung der Kinnkette beeinflusst. die Kinnkette sollte immer so fest verschlangt werden, dass der Unterbaum zur Maulspalte einen 45° Winkel annimmt, sobald Zug auf die Kandare kommt. Ist die Kinnkette zu locker verschnallt, so spricht man von einer „durchfallenden“ Kandare, ist sie dagegen zu fest und quetscht die empfindlichen Nerven in der Kinngrube, so „strotzt“ die Kandare. Der Baum einer Kandare ist, im Gegensatz zu dem Baum eines Pelhams, fest  am Mundstück angebracht und unbeweglich. Das Mundstück kann sich bei der Form einer „Pumpkandare“ bis zu 15 mm am Baum auf und ab bewegen und sorgt so für mehr Maultätigkeit beim Pferd. Die Form des Unterbaumes entscheidet über den Grad der Einwirkung am Pferdekopf. Je gerader der Unterbaum, desto schärfer wirkt das Gebiss. Anders ist das aber bei der S-Kandare.Sie zum Beispiel hat einen S-förmigen Unterbaum und wirkt durch die physikalische Druckverteilung auf dem Anzug besonders scharf auf das Pferd ein.

Weitere Mischformen bei Gebissen

Zusätzlich zu diesen Klassikern gibt es noch etliche Mischformen, zum Beispiel die

  • Babykandare: Eine Kandare mit besonders kurzen Anzügen
  • die Halbkandare: Ein einfach oder doppelt gebrochenes Mundstück mit beweglichen Anzügen, mit oder ohne Kinnkette reitbar
  • Die 3- oder 4- Ringtrense: Ähnlich der Halbkandare, jedoch mit verschiedenen  Einstellmöglichkeit für den Grad der Einwirkung im Gebiss durch 3-4 Ringe anstatt eines geraden Unterbaumes. Je weiter unten der Zügel verschlangt wird, desto mehr Druck wird auf das Genick des Pferdes ausgeübt. Diese Räumung wird ebenfalls ohne Kinnkette geritten
  • Baucher-Trense: Ein einfach gebrochenes Mundstück mit zwei Ringen, eine  kleineren als Oberbau ,an welchem die Backenstücke befestigt werden und einem etwas größeren als Unterbaum, welcher einen minimalen Anzug entstehen lässt und somit zusätzlich etwas auf das Genick einwirkt.
  • Aufziehtrense: Die Backenstücke laufen in den Trensenring und bei Zügelanzug wirkt die Aufheiternde nach oben, so dass eine höhere Kopfhaltung erreicht werden kann. Diese form der Räumung war Anfang des 19. Jahrhunderts in Mode, ist mittlerweile kaum noch gebräuchlich.

Neben den in Deutschland und Europa gängigen Gebissarten, gibt es eine Vielzahl an andersartigen Gebissen, welche teilweise den deutschen Tierschutzrichtlinien widersprechen, im Ursprungsland einiger Gangpferderassen aber durchaus Gebisse im täglichen Einsatz sind. Einige dieser Gebisse werde ich später vorstellen.

Zusätze an Trensen und Kandaren

Nicht jede Trense oder Kandare besteht einfach nur aus einem geraden Metallteil. Es gibt etliche Formen und Zusätze an den Mundstücken, die alle ihren bestimmten zweck erfüllen sollen. So ist es nicht unüblich an Wassertrensen Röllchen und Zungenspieler (wahlweise aus Kupfer), Zungenstrecker (Löffel, die auf der Zunge  liegen und diese am „über das Gebiss legen“ hindern), aufgeraute Materialien oder, gerade im Amerikanischen Raum, gedrehte Materialen (sogenanntes „Twisted Wire“ = gedrehtes Vierkant-Eisen) zu verwenden. 

Früher unüblich, mittlerweile etwas aus der Mode gekommen ist die sogenannte „Zungenfreiheit“, ein Bogen in Kandaren oder Pelhams und deren Mischformen, welcher der Zunge mehr Platz im Maul verschaffen wollte, wie man früher dachte. Heute weiß man dank mehr Verständnis für die Biomechanik des Pferdes und besserer Forschung, dass die Zunge sich nicht, wie früher angenommen in dem Bogen im Gebiss ihren Platz sucht, sondern eher im Gegenteil durch den Bogen Quetschungen der Zunge auf den Laden entstehen können oder der Bogen sogar an den Gaumen stoßen kann und dort empfindlichen Druck ausübt, dem das Pferd meist nicht entkommen kann, da es durch das reithafter am Aufsperren des Maules gehindert wird.

Der heutige Trend der modernen Gebisse geht hin zu einer anatomischen Form, die sich der perfekten Passform im Maulbereich anschmiegen soll. Auch die Kinnketten werden immer wieder neu überdacht und anatomisch noch anschmiegsamer gestaltet, um jeglichen falschen Druck oder gar Quetschung in der Kinngrube vorzubeugen. Eine gute Kinnkette muss sich deutlich überdrehen lassen, so dass die beiden Außenringe in unterschiedliche Richtungen zeigen, nur dann passt sich die Kinnkette ohne Quetscheffekt sehr gut der Kinngrube an.

An einigen Wassertrensen sind am Trensenring Gummischeiben befestigt. Diese dienen der fixierten Haltung des Gebisses an seiner Position und erschweren das Durchziehen bei grober Zügeleinwirkung.

Materialien, Stärke, Gewicht und Weite von Gebissen

Alle Gebissarten gibt es in verschiedensten Materialien. Waren die Gebisse früher aus Gusseisen oder zu Beginn der Domestikation sogar aus Tierhorn, Laienspielen oder Knochen, so gibt es mittlerweile neben dem normalen Eisen, Edelstahl oder Leder- und Gummigebiss diverse maulfreundliche Materialien, welche als „Sensogan“, „Argentan“ oder „Aurigan“ schadstoff-freier (insbesondere Nickelfrei) sein sollen, mit dem Speichel des Pferdes reagieren und durch angenehm süßlichen Geschmack als „Sweet Iron“ die Kautätigkeit anregen soll, oder durch den leicht rostigen Geschmack von Kupfer in Form von Mittelstücken oder Röllchen den Speichelfluss und damit das Abkauen anregen.

In Deutschland am meisten verwendeten Materialien

  • Aluminium: mittlerweile selten gewordene Metalllegierung, geringe Oxidation
  • Argentan: auch Neusilber genannt, Legierung aus 65% Kupfer, 15% Nickel und Zink, Da Nickel Allergien auslösen kann, nicht für alle Pferde optimal
  • Aurigan: Mischung aus 85% Kupfer, 4% Silizium und 11% Zink, entwickelt von der Firma Sprenger, um dem Allergie-Problem bei Nickel entgegen zu steuern
  • Edelstahl: bei  preiswerten Gebissen gern genommene Legierung aus Eisen, Chrom und Nickel, geschmacksneutral
  • Eisen: setzt in Verbindung mit Speichel Rost an, der süßlich schmeckt und so die Kautätigkeit anregen soll, oft platzt die Beschichtung aus Chrom oder Nickel ab und kann das Pferdemaul verletzen
  • Gummi: in der Regel mit Metallkern, nicht geeignet bei Pferden, die wenig speicheln, da der Gummi sonst im Maul unangenehm reibt, Gummi wird auf Dauer spröde und kann dann nicht mehr verwendet werden
  • Kaugan: Nickelfreie Legierung mit hohem Kupferanteil, entwickelt von der Firma Busse
  • Kupfer: Wird gerne in Legierungen eingemischt, weil es durch die Oxidation einen süßlichen Geschmack abgibt, der die Kautätigkeit anregen soll, oft in Form von Röllchen oder Einarbeitungen im Gebiss, da Kupfer allein zu weich wäre
  • Kunststoff: Bekannt durch die Nahte-Gebisse entwickelt von Reimer Nagel, der Kunststoff aus der Lebensmittelindustrie verwendete, weniger Reibung als bei Gummi, gern verwendet bei Gebissen mit Apfelgeschmack
  • Latex: Polsterung für das Gebiss, soll zum Kauen anregen
  • Leder: sehr pferdefreundliches Naturmaterial mit allerdings hohem Pflegeaufwand, da man es vor der ersten Nutzung und nach jedem Reiten, wie auch zwischendurch immer wieder mit Speiseöl geschmeidig halten muss, Vorteil ist, dass es sich der Anatomie des Maules anpasst, Nachteil, dass es leicht zerkaut werden kann, laut LPO nicht zugelassen
  • Messing: Kupfer-Zink-Legierung, nur noch selten bei gebissen verwendet
  • Sensogan: Entwicklung der Firma Sprenger, Zusammensetzung aus Kupfer, Mangan und Zink, soll hohe Verträglichkeit mit angenehmem Kaueffekt verbinden
  • Titan: leichtes reines Metall, aber mit hohem Anfertigungsaufwand, da es maßangefertigt werden muss und schwer zu verarbeiten ist, daher sehr teuer.

Nicht nur das Material entscheidet über die Schwere des Gebisses, welche sich ebenfalls auf die Rittigkeit eines jeden Pferdes individuell auswirkt. Letztendlich ist das Material sowie das Gewicht des Gebisses Geschmacksache des Pferdes. Der Reiter muss durch ausprobieren herausfinden, ob das Pferd lieber leichte oder schwere Gebisse mit welchem Material am besten annimmt.

Stärke des Mundstückes beim Gebiss

Im Gegensatz zum Gewicht des Gebisses, welche der individuellen Vorliebe eines Pferdes angepasst werden kann, entscheidet sich die Stärke des Mundstückes nicht nur anhand von Vorlieben. Ein dünnes Gebiss bezeichnet man als scharf, das Pferd bekommt also mehr Druck im Maul bei geringerer Einwirkung. Ein dickes Gebiss wird als weich bezeichnet, weil sich logischerweise der Zug am Zügel auf eine größere Materialfläche verteilen kann. 

Generell gilt der Grundsatz: „Ein Gebiss ist nur so scharf, wie die Hand, die es reitet.“ Dennoch sollte man sich als gewissenhafter Reiter einmal Gebisse mit unterschiedlichen Stärken in die Handinnenfläche legen und einen Mitreiter bitten daran einzuwirken. Man wird erstaunt sein, wie stark ein dünnes Gebiss auf die Handinnenflächen drückt und wie wenig Zug am Zügel reicht, um etwas zu spüren. 

Die landläufige Meinung, für eine weiche Zügelführung ein besonders dickes Gebiss zu verschnallen, um das Pferd dadurch zu schonen, ist aber nicht ganz durchdacht, denn im Maul ist nur begrenzt Platz und die Stärke des Gebisses muss immer so gewählt werden, dass das Pferd das Maul noch bequem schließen kann und sich wohlwollend mit dem Mundstück befassen kann, es also im Maul hin und her bewegen kann und will. 

Gerade die Gangpferderassen haben oft ein sehr kleines Maul, weshalb sich in vielen Fällen ein herkömmliches Warmblut-Gebiss gar nicht eignet, da diese in der Regel mit einer Breite von 16 Millimetern und mehr doch zu breit sind für die feinen Mäuler der Gangpferde.

Weite des Gebisses und Größe der Trensenringe

Auch in der Weite gibt es natürlich Unterschiede. Je nach Größe des Pferdes sollte die Weite des Gebisses angepasst werden. In der Regel gilt, dass das Gebiss insgesamt circa einen Zentimeter aus dem Maul schauen darf, also an jeder Seite 5 Millimeter. 

Zu schmal darf ein Gebiss nicht angepasst werden, da es dem Pferd sonst die empfindlichen Maulwinkel einklemmen kann. Ein zu weites Gebiss sichert die stabile Lage im Maul nicht und wirkt dadurch falsch bis schmerzend ein. Alle Gebisse mit Seitenteilen, wie Kandaren oder Pelhams können eng anliegen, da die Seitenteile das Scheuern verhindern.

Die Größe der Trensenringe spielt auch eine Rolle, die bei der Auswahl des Gebisses Berücksichtigung finden sollte. Je kleiner der Ring umso weniger rutscht das Gebiss nach oben, das Berühren der Maulwinkel minimalisiert sich, große Ringe sorgen für mehr Kaureflex durch mehr Beweglichkeit im Gebiss am Maulwinkel.

Die Hersteller von Trensen gehen immer mehr dazu über diese besonders gut an die anatomische Form des Pferdekopfes anzupassen Dies ist einerseits lobenswert, andererseits gleicht kein Maul dem anderen, weswegen auch die anatomische Formung bei dem ein oder anderen Pferd nur ein Kompromiss ist. Zu stark gebogen darf das Gebiss nicht sein, da es sonst auf die Unterkieferäste unangenehmen Druck ausübt.

Die Form des Pferdemaules wirkt sich auf die Gebisswahl aus

Um das passende Gebiss für sein Pferd zu finden, muss man einige Dinge im Pferdemaul beachten und bei jedem Pferd idealerweise neu überprüfen. 

Zu allererst sollte sicher gestellt sein, dass das Pferd zahnärztlich untersucht ist, also keine Wolfszähne oder Haken an das Gebiss stoßen beziehungsweise dem Pferd unangenehm im Maul sind. Darüber hinaus betrachtet man sich die Beschaffenheit des Maules. Hierbei spielt die Dicke der Zunge eine Rolle, ist sie eher schmal und dünn oder dick und fleischig? Ist der Gaumen flach oder dick, breit oder schmal: Sind die Laden scharfkantig oder rundlich, die Schleimhäute hart oder weich? Wie breit ist der Unterkiefer und wie viel Platz ist im Maul für das Gebiss? 

Bei einem durchschnittlich großen Warmblut haben die Unterkieferäste einen Abstand von etwa fünf Zentimetern zueinander. Bei den kleineren Gangpferden kann man sich einen Abstand von etwa 3 Zentimetern vorstellen. Des weiteren gilt es zu beachten, ob das Pferde eine kleine oder lange Maulspalte hat. Wie empfindlich sind die Unterlippen? 

All diese Faktoren beeinflussen die Wahl des Gebisses. Letz endlich findet man das für das Pferd angenehmste Gebiss nur durch Ausprobieren.

Wie wird das Gebiss verschnallt?

Es gibt Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V. welche früher besagten, dass das Trensengebiss so hoch im Maul verschnallt werden muss, dass die Maulspalte 2-3 Falten schlägt. Heute gilt eine Falte im Maulwinkel als generell gültige Verschnallhöhe. Dennoch können schon wenige Millimeter Veränderung der Verschnallhöhe großen Einfluss auf die Gebisswirkung haben. 

Eine eher höhere Verschnallung empfiehlt sich bei Jungpferden, die die Tendenz haben die Zunge über das Gebiss zu schieben. Auch bei einfach gebrochenen Wassertrensen empfiehlt es sich sie hoch genug zu verschnallen, um den Winkel der Gebisslage zu optimieren, ebenso wie bei vorhandenen Hengstzähnen. Auch nervösen Pferden, die übermäßig mit der Zunge spielen, kann eine Hochverschnallung Abhilfe schaffen. Eher tiefer verschnallt man das Gebiss bei Pferden, die dazu angeregt werden sollen vermehrt mit der Zunge zu spielen und zu kauen.

Die Länge des Gebisses muss der Breite des Maules angepasst sein. An den Maulwinkeln darf das Gebiss maximal 5 Millimeter herausschauen.

Ebenfalls geändert hat sich die Anpassung des Reithalfters. So hieß es früher bei der FN, dass zwei Finger nebeneinander am verschnallten Reithalfter auf dem Nasenbein Platz haben müssen. Heute wurde dies korrigiert und die korrekte Verschnallung schreibt vor, dass zwei Finger übereinander auf dem Nasenrücken Platz finden müssen. Das Pferd bekommt somit wesentlich leichter die Möglichkeit zu kauen und den produzierten Speichel auch abzuschlucken. 

Das hannoversche und das englische Reithalfter in der einfachen oder der kombinierten Form mit Sperrriemen sind die gängigsten Reithalfter in der deutschen Reitszene, auch bei den Islandpferden. Das Englische Reithalfter wird 2-3 Finger unterhalb des Jochbeines verschnallt, das hannoversche Reithalfter sitzt circa vier Finger über dem oberen Nüsternrand. Weitere Reithalfter-Varianten und deren Wirkung werde ich in dieser Arbeit nicht aufführen, da dies sonst den Rahmen sprengen würde.

Arten von Gebissen bei Gangpferden aus aller Welt

Da die meisten Gangpferde aus anderen Ländern kommen, in denen andere Reittraditionen vorherrschen, hat das Gebiss bei einigen Rassen einen anderen Sinn als den in der Deutschen Reitlehre gelehrten. Man sollte bei der Betrachtung der durchaus sehr scharfen Gebisses nie die ursprüngliche Verwendungsart und die Tradition des jeweiligen Landes vergessen. 

Traditionell dienten Gangpferde verschiedenster Rassen dazu, einen Reiter bequem über eine längere Strecke zu transportieren oder als leichtrittiges gefügiges Arbeitspferd zu dienen. Der Schwerpunkt lag also im bequemen und leichten Geradeaus reiten und weniger in der Biegefähigkeit oder Wendigkeit der meisten Gangpferderassen. Reiter in aller Welt machen sich Gedanken darüber, wie sie ihr Pferd am besten, schönsten und vor allem leichtesten reiten können und so hat jede Gebissvariante ihre Geschichte und mit Sicherheit ihre Vorzüge, auch wenn einige Gebissarten aus deutscher Tierschutzsicht bedenkenswürdig und mit aktuellem biomechanischem Wissen um das Pferd auch oft veraltet sind. Dennoch ist es spannend, sich einmal die verschiedenen Zäumungen anzuschauen.

Pferderassen, die im Ursprungsland häufiger zu Showzwecken geritten werden, tragen auch die wesentlich prunkvollere Zäumung und in den meisten Fällen eine Kandare, welche die Beizäumung und Versammlung erleichtern soll. Auffallend ist, dass die Anzüge der Kandarenzäumungen der Gangpferde oft sehr lang (teilweise bis zu 20 Zentimeter) sind.

Die Arbeitstiere unter den Gangpferden haben keine auffällige Zäumung, sondern häufig eine für die Arbeit effektive Art des Gebisses, wenn nicht sogar eine gebisslose Variante.

Gebisslose Variante bei Gangpferden: Das Kolumbianische Bosal

Auch wenn ich zu Anfang meiner Erklärung von den gebisslosen Zäumungen Abstand genommen habe, so darf eine Art der gebisslosen Variante bei den Gangpferden nicht außer Acht gelassen werden und das ist das Kolumbianische Bosal, welches von den Paso Finos kommt. 

Es besteht aus einen Genickstück mit Backenteilen und einem Nasenriemen, welcher wahlweise aus dünnem oder dickem Leder, rundgenäht oder breit, mit Noppen, eingearbeitetem Eisenteil oder ganz weich sein kann. 

Das kolumbianische Bosal wird mit vier Zügeln geritten. Ein paar Zügel wird in den Seitenringen eingehakt und sorgt für die seitliche Stellung während das zweite Paar unten verschnallt wird (an der sogenannten Barbada) und für die Beizäumung sowie die Höhe des Genicks sorgt. 

Das kolumbianische Bosal reiten man nicht in Anlehnung, sondern auf Basis des Signalreitens nur impulsartig. Verschnallt wird das Bosal so locker, dass mindestens zwei Finger aufrecht am Nasenbein Platz haben. Gerne wird mit fortgeschrittener Ausbildung das Bosal auch in Deutschland zu einer Wassertrense oder Kandare kombiniert und bietet so einen feinen Übergang vom gebisslosen Reiten zum Reiten auf Trense/Kandare. Im Ursprungsland gibt es verschiedene Kandarenzäumungen für die unterschiedlichen Ausbildungsstufen. Sie unterscheiden sich in der Länge der Anzüge, der Länge der Zungenlöffel und der Breite der Kinnketten. 

Die Peruaner reiten fast ausschließlich mit Kandare, welche es in den Materialien Kupfer oder Edelstahl gibt. Die Kandaren sind mit oder ohne Zungenstrecker ausgerüstet und haben entweder zwei oder sechs Zungenspielröllchen. Als gebrochene Variante haben die Paso Peruanos noch eine dem amerikanischen Myler Bit ähnliche Zäumung, welche sich zwar durch ein in der Mitte geteiltes Mundstück mit etwas Flexibilität auszeichnet, aber ab einem bestimmten Winkel starr wird. Die Kinnkette ist meist sehr dünn.

Gebisse der nordamerikanischen Gangpferde

Dadurch, dass die Deutsche Reitlehre dort nicht existiert und man sich „anders hilft“, gibt es dort eine Vielzahl an „Hilfsgebissen“, welche Stellungsfehler, einseitige Steifheit oder Anlehnungsprobleme beheben sollen. 

Was in Deutschland voreilig als Symptombekämpfung beschimpft wird, kann dem Pferd durchaus nutzen, den Weg in die richtige Richtung gezeigt zu bekommen, So gibt es in der Szene der Saddlebreds und Tennessee Walking Horse zum Beispiel Gebisse, deren eines  Seitenteil aus gedrehtem Vierkant-Stahl (Twisted Wire) besteht. Die Nutzung lässt sich leicht erklären, denn die Seite mit dem gedrehten Teil wird auf der steiferen Körperseite des Pferdes verschnallt und verfeinert somit die Biegefähigkeit des Pferdes. Bei allgemeiner Problematik der Anlehnung, etwa wenn das Pferd die Hand nicht akzeptiert und gegen den Zügel zieht, wird das „Twisted Wire“ beidseitig verwendet, also das gesamte Mundstück besteht aus dem  gedrehtem Stahl, Ein Gebiss, was im ersten Moment gewöhnungsbedürftig ist, aber durch seine hohe Flexibilität in einer geübten Hand das Pferd sehr gut zum Kauen veranlassen kann, ist das Gebiss mit einem Mundstück aus Kettengliedern, ähnlich dem Aussehen einer Fahrradkette.

Um Zungenproblemen vorzubeugen oder entgegen zu wirken, gibt es einige Gebissarten mit Zungenstreckern oder Zungenspielern, welche allerdings nur im Training verwendet werden, nicht auf einem Turnier. Dort wird in den meisten Prüfungen ausschließlich mit Kandare geritten und als Vorbereitung auf die Hebelwirkung und einen besseren Zugang zur Nachgiebigkeit im  Genick benutzen die Amerikaner gerne Mischformen aus Trensen mit Hebelwirkung, wie zum Beispiel das Wonder Bit, eine Wassertrense  mit einem kurzen gebogenen Anzug, welches bei genauem Betrachten dem Baucher-Gebiss sehr ähnlich kommt, nur über eine andere Unterbaumform und größere Gebissringe verfügt. Auch die Knebeltrensen, in Amerika Gag Bit genannt, findet im Training Verwendung. Formen der deutschen  Pumpkandare sind besonders bei den Tennessee Walkern beliebt und auch auf Turnieren erlaubt. Durch die langen Anzüge kann das Pferd in seiner Kopfform fixiert werden und soll so zum besseren Walk gebracht werden.

Die Saddlebreds werden auf Gangturnieren standardmäßig mit amerikanischer Showkandare  mit langen Anzügen und Unterlegtrense geritten, wobei es von Reiter und Pferd abhängig ist, wie viel der Zügeleinwirkung über die Kandare und wie viel über die Trense stattfindet.

Zu den weniger auf Showzwecke gezüchteten Rassen, sondern eher dem Freizeit- und /oder Ranchpferde-Typ zählen die Missouri Foxtrotter und die Rocky Mountain Horse sowie Spotted Saddlehorse und alle verwandten Arten von töltenden Pferden (Singlefooter, Racking Horse, Kentucky Mountain Horse usw.). Sie werden ebenfalls gern auf Kandare und deren Mischform, also zum Beispiel „Twisted Wire“ mit Anzügen, 4-Loch-Trense oder ähnlichen Gebissen, die der amerikanische Markt hergibt, geritten, aber auch mit normalen Snaffle Bits, der Western-Variante der Wassertrense.

Natürlich gibt es in Amerika auch pervertierte Formen der Gebissvariationen, die man dank des gegenüber Deutschland lockeren Tierschutzgesetzes in Amerika straffrei benutzten darf, deren Wirkung sich allerdings negativ auf die Gesundheit des Pferdes ausübt. Die Rede ist von schraubenähnlichen Mundstücken, die schon im leicht angezogenen Zustand deutlich in die Schleimhäute der Zunge und Laden einschneiden, oder sehr dünne Gebisse, welche die Gefahr bergen die Zunge derart zu quetschen, dass dort Nerven absterben können und die Zunge vernarbt.

Die Südamerikaner gehen in ihrer Pferdeausbildung von einer gebisslosen Zäumung, dem Bosal, über zu einer Zäumung auf Kandare, wahlweise kombiniert mit Bosal, welches in der peruanischen Variante sehr eng verschnallt wird und in der Kolumbianischen, wie oben schon erwähnt, locker angelegt wird. Die Kandare der Südamerikaner haben oft leicht gebogene Unterbäume, welche die Wirkung geringfügig minimieren. Die Mundstücke sind oft mit einer, nach heutigem Stand der biomechanischen Kenntnisse, deutlich zu hohen Zungenfreiheit bestückt oder haben deutliche Zungenstrecker eingearbeitet. 

Bei eventuellen Zungenproblemen, wie etwa dem Raushängen der Zunge bedient man sich eines dünnen Seils, bei den Südamerikanern gerne ein aus Pferdehaar geflochtenes dünnes Stück Strick, mit welchem man die Zunge durch festbinden am Unterkiefer fixiert. Auch bei den Saddlebreds und Walkern ist diese Technik bekannt. Mit dem Prinzip der Deutschen Reitlehre, welche eine tätige Kaubewegung und  damit Zungenbeweglichkeit voraussetzt, ist diese Art der „Hilfestellung“ nicht vereinbar.

Gebisse für Gangpferde in Deutschland

Für den Isländer gibt es in Deutschland mittlerweile eine Vielzahl geeigneter Gebisse in der richtigen Stärke und Länge, wenn auch die Islandkandare immer wieder hinzugezogen wird. Diese Gebissform ist eine Mischung aus Trense mit Hebelwirkung durch Anzüge und Kinnkette. Sie wird ebenso wie eine normale Kandare verschnallt und rahmt das Pferd seitlich durch die teilweise sehr langen Anzüge ein, ermöglicht aber wenig seitliche Einwirkung. In den meisten Fällen sieht man Isländer jedoch auch in der Turnierszene mit einer einfachen Wassertrense laufen.

Die Paso Ibero Americanos sind in Deutschland sehr von der hiesigen Reitlehre geprägt und werden deshalb meistens mit den gängigen deutschen Varianten der Trensen- und Kandarenzäumung geritten. Ab und zu findet man auch eine typische portugiesische oder spanische Zäumung an einem dieser iberisch geprägten Pferdetypen.

Der Aegidienberger wie auch der Töltende Traber, der Arravani und das Mangalarga Marchador haben keine rassetypische Zäumung, Der Aegidienberger schließt sich bei der Gebisswahl an das breite Spektrum der für Isländer geeigneten Zäumungen an. Auch Aegidienberger können mit Islandkandare geritten werden.

Der Töltende Traber ist meistens von der Rennbahn ganz andere Gebisse gewohnt, welche sich aber zur reiterlichen Ausbildung nicht eignen. Hier wird auf gängige deutsche Gebissarten zurück gegriffen, wobei die Art des Gebisses je nach Verwendungszweck variiert und manchmal fälschlicherweise versucht wird, das rassetypische Temperament der Töltenden Traber durch scharfe Zäumungen zu kontrollieren.

Der Arravani als griechisches Arbeitstier musste nicht besonders schick laufen oder geschmeidig sein, sondern einfach funktionieren, weswegen er auch ins Maul bekommen hat/bekommt, was funktioniert. In Deutschland sind die meisten Arravanis (wenn nicht mittlerweile sogar alle) Freizeitpferde und werden dementsprechend gebisstechnisch meistens mit Wassertrense ausgestattet.

Auch der Mangalarga Marchador ist ein Pferd, was über keine ausgeprägte Gebisskultur verfügt. In Brasilien wird verwendet, was funktioniert, meistens eine einfache Wassertrense aus Eisen, oder eine Kandare mit kurzen Anzügen. In Deutschland wird das gesamte Repertoire an Gebissen für den Marchador ausprobiert und findet je nach Typ und Reitschwerpunkt Verwendung.

Schlusswort

Die Aufgabe eines guten Ausbilders ist es den Blick auf eine korrekte, dem Pferd sowohl körperlich als auch seinem Temperament angepasste Zäumung zu legen, welche dem Pferd die Annahme der Hilfen erleichtern soll, ohne ihm unnötig Schmerzen oder Unwohlsein zu bereiten. 

Als guter Ausbilder sollte man seine Reitschüler dahingehend schulen eine gewisse Sensibilität für die Wahl des richtigen Gebisses zu entwickeln und mit einer feinen Hand und einem handunabhängigen Sitz gezielt auf das Pferdemaul einwirken zu können. Es ist Aufgabe des guten Ausbilders jedem Reitschüler nahezulegen einen respektvollen Umgang mit dem Pferdemaul zu wahren. Nicht zuletzt dient der Ausbilder dabei als Vorbild für seine Reitschüler und hat ebenso die Pflicht den Zügel immer mit Bedacht einzusetzen!